Es gibt diese Momente auf Hochzeiten, da schaut man verstohlen auf die Uhr und fragt sich, ob wohl jemand einen geheimen Fluchtweg kennt. Ich weiß, wovon ich spreche, denn als freier Redner, Moderator und ewiger Hochzeitsgast habe ich schon die absurdesten Rituale erlebt.
Manche Bräuche sind charmant, andere wirken wie ein Pflichtprogramm aus der Mottenkiste. Und manchmal spürt man regelrecht, wie sich die Gäste winden und hoffen, dass der nächste Programmpunkt nicht sie betrifft.
Dabei könnte alles so einfach sein. Ihre Hochzeit soll schließlich Ihr schönster Tag werden und nicht ein Best-of peinlicher Traditionen. Deshalb hier meine ganz persönliche Liste von Ritualen, auf die Sie guten Gewissens verzichten dürfen, garniert mit ein paar echten Anekdoten.
1. Die Brautentführung - ein echter Stimmungskiller
Die Idee, die Braut einfach zu entführen, stammt aus Zeiten, in denen Pferde noch Hauptverkehrsmittel waren. Heute endet das oft damit, dass die halbe Hochzeitsgesellschaft stundenlang Kneipen abklappert, während der Bräutigam verzweifelt auf Schatzsuche geht.
Ich habe schon von Feiern gehört, bei denen die Braut drei Stunden lang in einer dunklen Dorfkneipe saß und verzweifelt wartete. Liebe Brautpaare, bleiben Sie doch einfach zusammen und feiern Sie mit allen Gästen. Sie verpassen nichts außer kaltem Kaffee und jeder Menge Stress.
2. Das Hochzeitsbett dekorieren
Rosenblätter, Konfetti, Erbsen im Bett. Die Liste ist lang, die Freude darüber eher kurz. Nach 14 Stunden Feier wollen die meisten einfach nur eines: schlafen. Ohne, dass ihnen dabei eine Erbse ins Kreuz piekt.
Gönnen Sie sich eine echte Pause und verschieben Sie Experimente lieber auf den Honeymoon.
3. Brautstraußwerfen: Wer will, wer muss?
Theoretisch ein süßer Moment, praktisch immer auch eine etwas peinliche Angelegenheit. Manche Gäste werden regelrecht auf die Tanzfläche geschoben, andere fangen den Strauß und dürfen sich die nächsten zehn Jahre anhören, wann sie endlich heiraten.
Einmal habe ich erlebt, dass ein Mann den Brautstrauß fing. Zehn Minuten später wurde hektisch diskutiert, ob das denn "gültig" sei. Am Ende mussten wir den Wurf noch einmal wiederholen, diesmal nur mit Frauen. Da ich ja der DJ war, musste ich mich darum kümmern und alle ansprechen. Keiner wollte mehr teilnehmen. Es war unangenehm, die Stimmung litt für einen Moment. Und ich habe mich gefragt: Wer hat denn eigentlich erfunden, dass nur Frauen den Brautstrauß fangen dürfen? Und warum tragen die Leute das weiter? Die meisten Menschen sind zum Glück längst für Gleichberechtigung, aber bei Traditionen wirs das manchmal nicht hinterfragt... man macht es einfach. Seltsam.
Mein Tipp: Fragen Sie sich ehrlich, ob Sie selbst gerne dabei wären. Wenn nicht, lassen Sie es weg oder machen Sie eine witzige, freiwillige Variante daraus. Und ja: Bitten Sie alle Geschlechter oder Identitäten dazu.
4. Torte um Mitternacht: Ein süßer, schwerer Moment
Mitternacht. Gerade tanzen alle ausgelassen, da schallt die Stimme durchs Mikrofon: "Jetzt geht es zur Torte." Die Stimmung sackt ab wie ein misslungenes Soufflé.
Wenn niemand mehr Appetit auf Buttercreme hat, wird der schönste Kuchen zur Pflichtnummer. Warum nicht stattdessen den süßen Moment schon am Nachmittag oder nach dem Essen genießen? Ihr Hochzeitskuchen hat es verdient, wirklich bewundert zu werden. Und es gibt jede Menge Alternativen zur Hochzeitstorte. Lesen Sie hier im Blog in einem anderen Artikel mehr darüber.
5. Reiswaffelexpress: Bitte ohne Unfallgefahr
Reiswerfen sieht auf Fotos süß aus, verursacht aber auf glatten Böden echtes Risiko. Und wer macht das hinterher weg, aus den ganzen Ritzen zwischen den Pflastersteinen? Dazu kommt, dass viele Kirchen und Standesämter es aus gutem Grund verbieten.
Statt Ihre Gäste ins Stolpern zu bringen, empfehle ich Alternativen bunte Blütenblätter - allerdings auch nur draußen! Charmant, sicher und vor allem umweltfreundlicher. Achja: Und das mit den Seifenblasen funktioniert auch nie wirklich. Weglassen!
6. Der wilde Polterabend
Früher Pflichtprogramm: Poltern, bis die Nachbarn weinen. Heute darf ein Polterabend auch stilvoll sein.
Ich habe von Polterabenden gehört, bei denen das Brautpaar am nächsten Morgen reif für die Notaufnahme war. Ein lockeres Get-together, ein kleines Buffet, vielleicht ein paar liebevolle Überraschungen. Viel schöner als der klassische Vollrausch.
7. Brautkauf: Bitte keine Auktion der Peinlichkeiten
Die Braut gegen Geld oder Schnaps "freizukaufen", mag früher witzig gewesen sein. Heute wirkt es oft wie ein schlecht geplanter Jahrmarkt.
Ihre Beziehung braucht keinen Kaufvertrag. Ihre Gäste übrigens auch nicht. Feiern Sie lieber gemeinsam und schenken Sie sich gegenseitig Ihre Zeit und Ihre Liebe. Es gibt lustige Varianten mit der "Maffia" und verschiedenen Aktionen, die die Trauzeugen machen müssen. Gegen Spende. Das ist nett, dauert aber manchmal eine Stunde. Ihre Gäste werden müde und schwer. Setzen Sie, wenn SIe nicht darauf verzichten möchten, wenigstens ein Zeitlimit.
8. Strumpfbandversteigerung: Bitte nicht am Bein zerren
Das Strumpfbandspiel, bei dem ein meist leicht angetrunkener Gast der Braut unter das Kleid greifen darf, ist selten ein Highlight.
Oft wirken solche Spiele übergriffig und viele Brautpaare bereuen es hinterher, diesen Moment zugelassen zu haben. Wollen Sie Spenden sammeln? Dann lieber mit einer lustigen Versteigerung anderer Kleinigkeiten oder einer schönen Spendenbox. Und überhaupt: Die ganzen Geld-Sammel-Spiele. Oft bringen sie wenig aber halten auf. Ein Schleiertanz? Ja, damit alle mal mit der Braut getanzt haben eine gute Idee. Aber warum nicht auch mit dem Bräutigam? Und geht es das vielleicht ohne Geld? Überlegen Sie gut, was dafür und was dagegen spricht. Unsicher? Weglassen!
9. Hochzeitsspiele: Nicht jede Idee ist eine gute Idee.
Klar, ein bisschen Unterhaltung schadet nicht. Aber stundenlange Spiele, peinliche Quizfragen oder endlose Pantomimen können Ihre Gäste in die Flucht schlagen. Denken Sie daran: Weniger ist oft mehr. Wählen Sie ein oder zwei schöne Aktionen aus, die wirklich zu Ihnen passen. Ihre Gäste werden es Ihnen danken. Und dann dieses: Wer die Runde verliert muss dem Brautpaar diesen und jenen Wunsch erfüllen, Fenster putzen etc. Gähn! Das ist für viele ein Grund, das Spiel zu meiden. Obendrein ist es irgendwie unhöflich, finde ich. Aber man macht das so, weil man das eben so macht - denken manche. Bleiben Sie reflektiert: Wollen Sie das oder meinen Sie nur, das andere das wollen?
Und: Überlassen Sie die Planung von Spielen nicht irgendwem. Koordinieren Sie das entweder selbst, oder binden Sie mich als Moderator oder DJ mit ein. Ich kann freundlich aber bestimmt Grenzen setzen, ohne das die Menschen Ihnen anschließend die Freundschaft kündigen.
10. Die endlosen Reden und die Rednerauswahl
Reden können wunderschön sein. Aber sie können auch wunderbar anstrengend sein.
Ich erinnere mich an eine Hochzeit, auf der der Vater des einen Bräutigams eine gefühlt halbstündige Rede hielt. Über sein Leben, seine Reisen und seine Erfolge. Der Sohn kam exakt zweimal vor. Wunderbar, wenn so eine Rede endet, glauben Sie mir.
Mein Rat: Begrenzen Sie die Redezeiten auf jeweils 5 Minuten und überlegen Sie genau, wen Sie bitten, zu sprechen. Wählen Sie Menschen, die wirklich etwas zu sagen haben. Über Sie, Ihre Geschichte und Ihre Liebe. Keine Monologe, keine Reiseberichte.
Mein Geheim-Tipp:Stellen Sie Ihre Gäste vor. Mit Mikrofon und im ganzen Saal umhergehend. Berichten Sie von Gemeinsamkeiten und besonderen Hobbies. Das schafft Verbindung unter den Gästen und sorgt für angeregte Gespräche.
Mein ganz persönliches Fazit
Überlegen Sie gut, was Ihnen wirklich wichtig ist. Fragen Sie sich ehrlich: Wie haben Sie sich auf den Hochzeiten gefühlt, auf denen Sie bisher waren?
War etwas unangenehm, peinlich, langweilig? Nur weil eine Tradition existiert, heißt das noch lange nicht, dass Sie sie übernehmen müssen. Vielleicht finden Sie einen Kompromiss.
Ich habe zum Beispiel auf (halb-)russischen Hochzeiten erlebt, wie wunderbar es ist, Traditionen bewusst zu verändern.
Anstelle ständiger Wodka-Saufspiele mit einem übergriffigend Moderator und Zeremonienmeister wurden liebevolle Alternativen geboten. Unangenehme Rituale wurden gekürzt oder ersetzt. Die Stimmung war dadurch nicht weniger herzlich, im Gegenteil.
Ihre Hochzeit gehört Ihnen. Gestalten Sie sie so, dass sie sich für Sie richtig anfühlt. Ihre Gäste spüren das und feiern umso glücklicher mit Ihnen.
Und denken Sie daran: Wenn ein Hochzeitsspiel länger dauert als ein Tarantino-Film, ist es vielleicht an der Zeit, das Mikrofon auszumachen und einfach weiterzutanzen. Mehr Tipps und Erfahrung? Fragen Sie mich einfach an: Als Trauredner, DJ oder mit einem Hochzeitspaket.