Ein Erfahrungsbericht über Fragen, Pausen und das feine Spiel mit Nähe
Wie lockt man aus einem wortkargen Gast eine leuchtende Geschichte hervor? Wie bleibt ein Talk spannend, ohne dass er nach Talkshow klingt? Und was unterscheidet einen guten Interviewer von einem echten Gesprächsverführer? Wenn Sie mich fragen: Es ist das Zusammenspiel aus offener Neugier, präziser Zurückhaltung und dem Mut zur Stille.
Ich habe über die Jahre viele Gespräche geführt. Vor der Kamera, auf der Bühne, im Bett (natürlich nur im Rahmen meiner Talkreihe „Bielefelder Bettgeschichten“). Und ich verrate Ihnen: Die besten Momente entstehen nicht durch perfekte Fragen, sondern durch echtes Interesse.
Offene Fragen sind wie Einladungen zum Tanzen
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party. Jemand fragt: „Hattest du einen schönen Tag?“ Sie antworten: „Ja.“ Gespräch vorbei. Wenn ich aber frage: „Was hat Ihren Tag heute besonders gemacht?", dann beginnt die Geschichte. Offene Fragen sind das goldene Werkzeug jedes Interviews. Sie öffnen Türen. Sie lassen Raum.
Ich vermeide Fragen, die man mit Ja oder Nein abhaken kann. Stattdessen spiele ich mit Formulierungen wie:
- „Was ging Ihnen in dem Moment durch den Kopf?“
- „Wann haben Sie zuletzt so richtig gestaunt?“
- „Was hätten wir nie über Sie erfahren, wenn ich das jetzt nicht gefragt hätte?“
Natürlich braucht es Feingefühl. Manchmal ist weniger mehr. Manchmal ist eine gut gesetzte Frage am Anfang der Bühne schon der halbe Applaus.
Schweigen aushalten: Die Kunst, nichts zu sagen
Das klingt simpel, ist aber eine echte Meisterdisziplin. Schweigen aushalten. Ich habe gelernt: Wenn ich sofort nachlege, weil es kurz still ist, nehme ich meinem Gegenüber die Chance, selbst weiterzuerzählen. Oft kommt der spannendste Teil nach einer Pause. Wenn ich nicht sofort die nächste Frage serviere, entsteht Tiefe.
Diese Stille fühlt sich manchmal an wie ein Sprung ins kalte Wasser. Aber sie wirkt Wunder. Gerade bei Menschen, die nicht gewohnt sind, im Rampenlicht zu stehen, hilft dieses stille Vertrauen enorm. Es ist, als ob ich sage: Ich höre zu. Und ich lasse dir Raum.
Anekdoten hervorlocken ohne nachzubohren
Ich liebe Geschichten. Kleine, große, schräge. Aber ich möchte sie nicht herauspressen wie Zahnpasta aus der Tube. Stattdessen ermutige ich meine Gäste zum Erzählen, ohne sie zu drängen. Das funktioniert besonders gut, wenn ich selbst etwas Persönliches einstreue. Keine Lebensbeichte, nur ein Mini-Moment aus meinem eigenen Erleben.
Das schafft Vertrauen. Ich zeige: Auch ich bin Mensch, nicht nur Mikrofonhalter. Und dann sprudeln sie oft. Die Erinnerungen, die Pointen, die kleinen Geheimnisse, die ein Interview besonders machen.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem ehemaligen Radrennfahrer. Er sprach zunächst ganz sachlich über seine Karriere. Erst als ich sagte: „Ich habe als Kind mein Fahrrad liebevoll geputzt wie andere ihre Kuscheltiere“, lachte er. Und erzählte von seinem ersten Sturz, bei dem sie mehr um den Kratzer am Lack geweint hatte als um seine Schürfwunde. Ein Moment der Nähe - entstanden durch eine kleine, echte Verbindung.
Fazit: Das Gespräch darf glänzen, nicht ich
Als Interviewer sehe ich mich nicht als Star, sondern als Gastgeber. Ich schaffe den Raum, in dem andere leuchten. Wenn mein Gegenüber strahlt, weil sie oder er gesehen und gehört wurde, dann habe ich meinen Job gut gemacht.
Ich hoffe, Sie konnten ein bisschen hinter die Kulissen meiner Interviewarbeit blicken. Vielleicht hilft es Ihnen bei Ihren eigenen Gesprächen, egal ob beruflich, journalistisch oder beim nächsten tiefsinnigen Small Talk am Küchentisch.
Und wenn Sie neugierig sind, wie das live aussieht: Schauen Sie gern in meine Talkformate oder laden Sie mich als Moderator ein. Ich bringe Fragen mit und lasse Platz für Ihre Geschichten.